XC-Flug


Spontaner Cross Country Flug nach Österreich

Der letzte Sonntag im Juni wird wohl nicht nur mir als Hammertag in Erinnerung bleiben. Er bescherte mir einen meiner schönsten XC Flüge. Das Ungewöhnliche an meinem Flug war die Tatsache, dass ich völlig unvorbereitet losflog, eigentlich wollte ich einfach mal ‚das Vreneli’ von oben sehen. Dieses Ziel verpasste ich zwar, dafür wurde ich mit einem dreistündigen Flug vom Gumengrat bis über die Österreichische Grenze bei Feldkirch entschädigt.

Den Flugtag hatte ich ehrlich gesagt schon abgeschrieben gehabt, da ich mit dem Gefühl aufgewacht war es sei bereits Mittag. Innerlich stellte ich mich auf einen gemütlichen Tag im Strandbad ein. Erst als mich Nicole auf meine Anmerkung hin, dass wir es in letzter Zeit einfach nicht rechtzeitig aus den Federn schaffen würden, ziemlich verständnislos musterte, wurde mir klar, dass es doch früher Morgen sein musste. Nach einem ausgiebigen ‚Zmorge’ und dem Studium der aktuellen Meteodaten fuhren wir los mit Ziel Gumengrat. Das Emagramm aus Payerne zeigte um diese Zeit einen schönen Temp, gegen Innsbruck hin sollte es sogar noch besser werden. Erwartete Basis >3000m! Natürlich wusste ich das in diesem Moment noch nicht, dieses Emagramm habe ich für die Nachwelt abgespeichert als ich wieder zurück war. Wenn es also mal wieder ähnlich aussieht - ab an den Gumen!!

Als wir oben am Gumen ankamen, hingen bereits etliche bunte Tücher an der Basis auf rund 3000m. Andere Piloten waren, scheinbar mühelos, auf dem Weg dahin. Ich selber startete gegen 13:30. Kurz nach dem Start erwischte ich einen Bart, der mich unmittelbar über dem Gumengrat in die Höhe trug. Das Vreneli im Hinterkopf und die Eggstöcke schräg links unter mir, flog ich beschleunigt ab Richtung Bächistock oberhalb dem Oberblegisee. Während der Querung löste sich auf der gegenüberliegenden Talseite eine von einem Kumuli über dem Gumen stammende Abschattung wie erhofft auf. Just kurz vor meiner Ankunft wurde die gesamte Talseite perfekt angestrahlt. Mit der kurz darauf entstehenden Thermik flog ich etwas unterhalb der Glärnischkette Richtung Schwanden.


Das Vrenelisgärtli befand sich bald schon links über mir. Nach wie vor wollte ich diesem alten Mädchen einen Besuch abstatten. Dumm nur, dass mir ‚das Vreneli’ bei meiner Ankunft an ihrem Rücken die kalte Thermikschulter zeigte. Oberhalb Schwanden fand ich einige kleinere Ablösungen, es gelang mir aber nicht, eine davon bis über ‚das Vreneli’ auszudrehen. Sollte ich es weiterversuchen, oder abgleiten in Richtung Glarus? An der Nordostflanke des Vorderglärnisch oberhalb Schwändi sah ich von meiner Position aus einen Piloten, der scheinbar schöne Aufwinde fand. Ich liess ‚das Vreneli’ links liegen und flog ab in Richtung Vorderglärnisch. Und tatsächlich, ziemlich genau über dem Gipfel stand ein ruhiger Schlauch, der kaum versetzt wurde. Im Drehen genoss ich die herrliche Aussicht in Richtung Rüti, Matt, Weesen und den Klöntalersee unterhalb des Vrenelis.


Wer übrigens noch nie auf oder über dem  Vorderglärnisch war, da oben sieht es aus wie auf dem Mond. Aus der Luft scheint der Gipfel ein einziger Sandhaufen zu sein, kein grüner Fleck war auszumachen. Der Pilot unter mir hatte nicht so viel Glück. Er flog ab Richtung Klöntalersee und etwas später sah ich ihn tief über Glarus, vermutlich auf der Suche nach einem Landeplatz.

Wiederum musste ich mich entscheiden wie es weitergehen sollte. Ich hing irgendwo zwischen 2500 und 2800m, damit müsste sich doch etwas anfangen lassen. So nahm ich mir als nächstes vor, den Froni ‚zu schnappen’. Direkt würde das vermutlich des Talwindes wegen nicht funktionieren. Ich entschloss mich deshalb, den Schilt als Trampolin für den Sprung über den Froni zu benutzen. Die Taktik ging auf. Am Schilt zog bei meiner Ankunft nach der Talquerung ein Segelflugzeug seine Schleifen. Mit, aus meiner Warte, extremen Manövern nahe am Berg versuchte der Pilot sein Fluggerät in die Höhe navigieren. Gegen das enge Drehen meines Hornets hatte er aber keine Chance und bald schon lag der Gipfel des Schilt und der Segler unter mir. Der Segler flog im Tiefflug hinüber Richtung Engi.

Ich wählte den direkten Weg zum Froni,.und weil es gerade so schön gleitete liess ich es gleich weiter in Richtung Antenne ob Weesen fliegen, begleitet vom ständigen Piepsen meines Funks. Dessen Batterie hatte sich bei der Querung ob Glarus entschlossen jetzt leer zu sein. Wieso dass ein Funk mit leerer Batterie noch piepst ist mir zwar ein Rätsel, im Rückblick wundert mich aber auch die Tatsache, dass ich es noch ziemlich lange piepsen liess, bevor ich das Teil endgültig abschaltete. Auf Höhe des Gäsi überflog ich den Walensee. Die Aussicht war atemberaubend. Es müssen duzende Schiffe unterwegs gewesen sein an diesem herrlichen Sommertag und jedes zog eine weisses V hinter sich durchs Wasser. Der Springbrunnen im Hafenbecken von Weesen wies mit seiner Fontäne in Richtung Walenstadt. Zwischendurch versuchte ich auf der Seequerung einmal mich per Handy bei Nicole zu melden, der Fahrtwind verhinderte aber eine klare Verständigung. Wenigstens wusste sie jetzt aber, dass ich noch unterwegs war. Ich beschloss, es später nocheinmal zu versuchen.

Über der Antenne kam ich nach einem direkten Flug vom Schilt mit rund 1400m Höhe an. Sicherheitshalber sah ich mich nach geeigneten Wiesen für eine Aussenlandung um. Auf jeder Wiese schienen Sonnenhungrige zu liegen, überall entlang des Ufers konnte ich kleine farbige Flecken, wohl die Badetücher, ausmachen. Eine Landung ohne eine Portion Sonnencreme abzubekommen würde schwer, soviel stand fest. Die Sorgen vergingen aber schnell, als ich unvermittelt in einen ziemlich ruppigen Rodeoschlauch eintauchte. Der Bart war eng und über 5m stark. Zeitweise schien es, als wollte mich der Schlauch ‚abwerfen’. Einmal tauchte mein Schirm fast unvermittelt schräg rechts vor mir unter mich weg, liess sich aber wieder bändigen und kurz darauf wurde auch die Thermik ruhiger. Fast schien es, als ob der Schlauch sich geschlagen gegeben hatte. Von nun an ging es wieder butterweich bis auf Gipfelhöhe Mattstock. Und wieder war eine Entscheidung fällig. Gegen den Wind über den Federi oder mit Seitenwind über Amden an den Leistcham und weiter entlang der Kurfirsten?


Zweiteres! Wann, wenn nicht heute, könnte der Flug nach Walenstadt gelingen? Vor dieser Strecke hatte ich bisher ziemlichen Respekt. Und so nahm ich etwas angespannt meinen ersten Flug entlang den Kurfirsten auf der Seeseite in Angriff. Hinten um Amden herum gelangte ich an die erste Wand der ‚Kurfirstenautobahn’. Der Einstieg gestaltete sich ruhig. Im Stampfer stehend versuchte ich mein Glück an der nächsten Abrisskante und ab da gings, wie von vielen Piloten schon beschrieben, fast gratis. Der Walensee gab auch aus dieser Warte ein herrliches Bild ab.


Bis zum Startplatz Schrina konnte ich trotz beschleunigtem Geradeausflug so viel Höhe machen, dass ich die hinter dem Startplaz liegende Felswand als nächste Thermikquelle ohne Probleme ‚anzapfen’ konnte. Ein paar Kreise später gings über das Sanatorium hinweg und vorbei am Kabel zum bekannten Felsen über dem Landeplatz Walenstadt. Dort mühte sich unter mir ein beim Pax-Mal gestarteter Piloten an der Wand ab. Auf meiner Höhe konnte von Abmühen keine Rede sein. Erstaunlich, was rund 100m Höhenunterschied ausmachten können. Vom Felsen weg trug mich ein welches-Stockwerk-darf-es-sein-mein-Herr-Schlauch bis auf Kretenhöhe Hinterrugg auf rund 2300m. Nun sah ich zum ersten Mal das Rheintal aus der Luft, etwas weiter links grüsste der Hohe Kasten mit seiner markanten Station. Ich genoss die Aussicht auf dem Weg an den Sichelchamm in vollen Zügen und genehmigte mir einen kräftigen Schluck aus der glücklicherweise mitgeführten Wasserflasche. Der Alvier sollte der letzte Gipfel gewesen sein, welchen ich an diesem Tag überflog. Plötzlich schien ich zwischen Alvier und Gonzen auf der Höhe der Ortschaft Halbmil im Wind zu stehen. Ich entschloss mich daher für den Flug über das Rheintal und drehte kurzerhand links weg. Vor mir lag ein rund halbstündiger Gleitflug auf der Achse Sevelen – Vaduz – Drei Schwestern. So war genügend Zeit, um mich nochmals bei Nicole zu melden. Ich versuchte im Flug ein einigermassen verständliches SMS zu versenden. Der Text lautete schlussendlich ‚bin uebwrreihnthal’. Auf ein Korrekturlesen verzichtete ich aus verständlichen Gründen, den Zweck erfüllte das SMS allemal. Im Glarnerland wusste man nun, dass mit mir alles in Ordnung ist.


Unbegreiflicherweise kam mir erst auf der Querung des Rheintals in den Sinn, dass mein Handy über eine integrierte Kamera verfügte und ärgerte mich einen Moment mal ziemlich heftig. Ein paar mal auf dem Flug hatte ich mir gewünscht, ich hätte meine Digicam mitgenommen, aber an die Kamera meines Handys hatte ich keinen Moment gedacht.
 














Schade, so konnte ich leider nur noch das letzte Viertel des Fluges mit Bildern dokumentieren.

Die obigen beiden Bilder zeigen rechts Vaduz und die drei Schwestern, links ein Blick in Richtung Landquart.

Von den Drei Schwestern hatte ich vor Jahren einmal in einem Flugbericht gelesen. Damals war der Pilot meines Wissens nach Bludenz geflogen.


Da sich aber bei mir langsam Müdigkeit bemerkbar machte, beschloss ich, keine weiteren Risiken mehr einzugehen, lehnte zurück und gleitete unterhalb der Drei Schwestern völlig entspannt und zufrieden in Richtung Bodensee, den ich im Hintergrund ausmachen konnte.


Unterstützt von leichten Aufwinden gelang es mir dann als krönender Abschluss via Planken und Schaanwald die Grenze zu Österreich bei Feldkirch zu erreichen .


Ich liess es mir nicht nehmen, genau über die Zollstation Schaanwald zu fliegen und den Überflug fotografisch festzuhalten.


Drei Minuten später stand ich nach einem dreistündigen Flug, rund 75km geflogener Strecke und einer sanften Landung etwas ausserhalb von Feldkirch auf festem, östereichischen Boden.


Mit einem unbeschreiblichen Hochgefühl packte ich meinen Schirm zusammen und machte mich zu Fuss auf den Weg zurück über die Grenze bei Schaanwald. Natürlich wollte ein schlecht gelaunter Schweizer Zöllner noch meine ID ganz genau sehen, in meinem Zustand jedoch nervte mich das nichteinmal. Ich glaub, ich habe den Typen vor lauter Freude die ganze Zeit nur blöd angegrinst.


Dass ich unmittelbar nach der Grenze noch zufällig ein paar Freunde auf Ihren heissen Stühlen traf, passt wohl zu diesem speziellen Tag.


Nicole holte mich bald schon im Ländle ab und gemeinsam führen wir nach Hause. Zurück am Zürichsee gönnten wir uns noch eine feine Pizza hoch über dem Zürichsee und genossen einen traumhaften Sonnenuntergang über der Albiskette. So fand ein unglaublicher Tag ein gebührendes Ende.



Im Stillen bedankte ich mich bei der langsam verschwindenden glühend roten Kugel am Horizont, deren Kraft mir diesen Flug letztendlich überhaupt ermöglicht hatte und bei Nicole, die mich wieder in die Heimat holte.



Die wichtigsten Daten zum Flug

Pilot: Günti
SHV: 30255
Datum: 29.6.2003
Start: Gumengrat (13:30)
Landung: Feldkirch (16:30)
Distanz (geflogen): ~75km
Flugdauer: 3h
Maximale Höhe: 2949 (nicht korrigiert)
Maximales Steigen: ~5,8m/s
Glider: Firebird Hornet
Camera-Handy: SE
P800
Computer-Grafiken: Flytastik (
www.endoxon.ch)